Mi 18. Apr 2012, 17:06
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]SPD SOZIALDEMOKRATISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS[/b]
Landesverband Berlin, Kreisverband Steglitz-Zehlendorf
Abteilung 4 - Lichterfelde Ost und Süd –
http://www.spd-lios.deEinstimmiger Beschluss der Mitgliederversammlung vom
20. März 2012Antrag:
Faire Arbeitsbedingungen für die Berliner MusikschullehrerDie Kreisdelegiertenversammlung möge beschließen:
Der Landesparteitag möge beschließen:
Die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats werden aufgefordert sich dafür einzusetzen,
dass mit den Vetretern der Berliner Musikschullehrer und der zuständigen DGB-Gewerkschaft
umgehend eine einvernehmliche Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen ausgehandelt wird und dabei
die Bezirksverwaltungen entsprechend Ihrer Zuständigkeiten eingebunden werden.
Vorrangiges Ziel muss dabei sein, deutlich mehr Musiklehrer in festen Stellen einzustellen und einen
echten Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Lehrkräfte abzuschließen. Dieser Tarifvertrag muss den
Ansprüchen eines sozialdemokratisch geführten Senats gerecht werden. Statt einseitig die
Arbeitsbedingungen zulasten der Lehrkräfte festzulegen, sind entsprechend Tarifverhandlungen für
diesen Personenkreis aufzunehmen.
Bei dem Tarifvertrag für die Honorarkräfte an den Berliner Musikschulen ist inbesondere zu
gewährleisten, dass elementare Arbeitnehmerrechte wie vollständige Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall, Mutterschutz, angemessene Alterssicherung und angemessener Kündigungsschutz
umfassend gewährleistet sind.
Wir lehnen die aktuellen Bestrebungen des Berliner Senats und des Rats der Bürgermeister
entschieden ab, die Ausführungsvorschriften über die Honorare der Berliner Musikschulen und den
mit diesen verbundenen Dienstvertrag so zu verändern, dass bei Schülerausfällen und bei
Unterrichtsausfall aufgrund gesetzlicher Feiertage keine Honorare mehr gezahlt und
Honorarerhöhungen erst mit großer Verzögerung wirksam werden. Es ist ein Skandal, dass unter
einem sozialdemokratischen geführten Senat nun auch noch Verschlechterungen der Lage der
Musikschullehrer angestrebt werden, anstatt dringend gebotene Verbesserungen zu erreichen.
Begründung:
Die Musikschulen sind ein selbstverständlicher Bestandteil der Bildungslandschaft und des
kulturellen Lebens in Berlin. Sie ermöglichen eine musikalische Ausbildung auch für Kinder und
Jugendliche aus Elternhäusern, die sonst die finanziellen Mittel dafür nicht aufbringen könnten.
Diese Arbeit leisten die Musikschullehrer jedoch meist in sozial und wirtschaftlich prekären
Arbeitsverhältnissen als Honorarlehrer, die
· keine vollständige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhalten
· keinen Mutterschutz bekommen,
· keine Alterssicherung zu erwarten haben,
· ohne Angabe von Gründen kündbar sind,
· nahezu keinen arbeitsrechtlichen Schutz genießen,
· gegenüber angestellten Lehrkräften erheblich schlechter bezahlt werden und
· durch bezirkliche Willkür bei Aufnahmestopps oft monatelange Honorarausfälle hinnehmen müssen.
Gut 90% der Musikschullehrer sind Honorarlehrer, Tendenz steigend, womit Berlin das Schlußlicht
in Deutschland bildet. Für die Honorare gelten Sätze, die für Nebenberufler mit Fachhochschulabschluss
ausgelegt sind. Die Honorarkräfte sind jedoch überwiegend hauptberuflich an den
Musikschulen tätig und haben einen Hochschulabschluss.
Die aktuelle Kontroverse wurde ausgelöst durch eine Prüfung der Deutsche Rentenversicherung in
Marzahn-Hellersdorf. In seinem Gutachten kommt der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die freien
Mitarbeiter der Musikschule scheinselbstständig und dementsprechend Rentenversicherungsbeiträge
abzuführen seien. Der Bezirk legte keinen Einspruch dagegen ein, sodass sich die Senatsverwaltung
in der Pflicht sieht, die Vertragsverhältnisse neu zu ordnen. Eine entsprechende Prüfung in Spandau
verlief ganz anders: Spandau widersprach der Vermutung, es könne sich bei den Musikschullehrern
um Scheinselbstständige handeln. Die Rentenversicherung ließ daraufhin ihre Vermutung fallen und
hat das Verfahren 2011 beendet. Die unklare Rechtslage dient nun der Senatsverwaltung als Vehikel
für eine weitgehende Neuregelung der Berliner Musikschulen.
Die bisher bekannt gewordenen Pläne haben seitens des Landesmusikrates, des Musikschulbeirates
und der Landesarbeitsgemeinschaft der Musikschulleiter ausführlich begründete ablehnende
Stellungnahmen ausgelöst. Die bezirklichen Lehrervertreter und die Gewerkschaft ver.di lehnen die
Pläne ebenfalls ab. Die Intendanten der Berliner Philharmoniker und der Staatsoper unterstützen die
Auffassung von ver.di ausdrücklich. Ver.di kritisiert im Einzelnen, dass
1. anstelle eines monatlich gleichbleibenden Honorars eine Einzelstundenabrechnung eingeführt
wird, die am Beispiel des Jahres 2011 wegen Abzügen für gesetzliche Feiertage wie
Pfingstmontag, Himmelfahrt usw. zu einer ca. 3%igen Minderung führen würde (und es ist schon
jetzt absehbar, dass es an einigen Musikschulen zu einer Verschiebung des
Honorarzahlungstermins um ca. zwei Wochen kommen wird),
2. die durch Senatsbeschluss festgelegte Anpassung der Honorare an die Tariferhöhungen des
öffentlichen Dienstes in Berlin durch die neuen Ausführungsvorschriften verschoben wird, im
schlechtesten Fall um bis zu 19 Monate,
3. durch die Regelungen zum Unterrichtsausfall eine Bezahlung für die durch Fernbleiben des
Schülers ausgefallene Stunde nicht honoriert wird. Erst eine zweite vom Lehrer anzubietende
(Nachhol-) Stunde darf auch dann vergütet werden, wenn sie nicht zustande kommt.
Keiner dieser Punkte steht im Zusammenhang mit statusrechtlichen Fragen. Daher ist der Verdacht
entstanden, dass die Prüfung durch die Rentenversicherung nur zur Begründung für ganz anders
motivierte Änderungsabsichten herangezogen wird.
Das Gutachten der Rentenversicherung moniert namentlich die seit 1982 geltende Honorarfortzahlung
im Krankheitsfall für Lehrkräfte, die als „arbeitnehmerähnlichen Personen“ anerkannt sind.
Sollten hier tatsächlich statusrechtliche Probleme bestehen, so wären diese mit einem Tarifvertrag für
freie Mitarbeiter (nach §12a Tarifvertragsgesetz), wie er an allen Rundfunkanstalten üblich ist, leicht
lösbar. Dazu rät im übrigen auch der Bundesverband der Deutschen Musikschulen.
Die Musikschullehrer zählen schon jetzt, selbst wenn sie vollbeschäftigt werden, zu den
Geringverdienern. Die prekären Arbeitsbedingungen mit hohen Risiken und deutlich schlechteren
Verdienstmöglichkeiten als angestellte Lehrkräfte brauchen mehr soziale Absicherung und nicht noch
weniger. Auch darum dedarf es eines Tarifvertrags für diesen Personenkreis.